Rezension von „BitCoin kurz & gut: Banking ohne Banken“, Jörg Platzer

Veröffentlicht von am 17. Mai 2015 in Buchrezensionen

Die folgende Rezension wurde von unserem Mitglied trailblazr geschrieben:

Das Buch ist mein erstes Buch zum Thema gewesen, das ich gelesen habe und der Titel schien mir perfekt um es zum Einstieg zu lesen. Besonders auch der Untertitel „Banking ohne Banken“ machte mich neugierig. Um es gleich vorweg zu nehmen, ich bin zwar um einige Begrifflichkeiten reicher, aber auch ein wenig enttäuscht weil das alles so unsystematisch im Buch passiert.

Das Buch ist für meine Begriffe relativ unlogisch aufgebaut. Nach einer relativ kurzen Intro ins Thema BitCoin stellt man fest, das der wesentliche Kern der Technologie, nämlich die Blockchain, fast gar nicht erklärt wurde oder so erklärt wird, dass es alles ziemlich unverständlich bleibt.

Der Autor stürzt sich gleich mitten in die BitCoin-Tools, der Buchtitel hätte also besser „BitCoin Tools kurz & gut“ geheißen, denn teilweise wird wirklich Schritt für Schritt ein Browser-Plugin oder eine Software erklärt, ohne dass man dem Leser erstmal vermittelt, warum man diese Tools eventuell braucht. Nicht dass ich das Lernen von Toolwissen ablehne, aber wir wissen alle, wie schnell Softwarewerkzeuge heutzutage veralten und damit auch der Inhalt weiter Teile dieses Buches.

Es geht sofort los von Clients und Wallets, Wallettypen wie online, offline, paper, etc. es dreht sich also um Werkzeuge. Erst in Kapitel 6, als es um Anonymität geht, wird der Kern der Technologie ein wenig näher beleuchtet, nämlich die transparente und verteilte Buchhaltung. Bis dahin hat man einige Werkzeuge vorgestellt bekommen, deren eigentlichen Sinn man erst später begreift und deren Unterschiede so komplex gelagert sind, dass man als Einsteiger deutlich mehr Fragen als Antworten hat. Vor allem bohrte jederzeit die eine Frage in mir, warum sollte ich diesen Tools einfach so blind vertrauen? Sind die Toolentwickler Idealisten? Funktioniert ein nachhaltiges Ökosystem das die Geldinfrastruktur ablösen können soll nur mit Idealisten?

Mir missfällt vor allem aber, dass diese Werkzeuge nahezu kritikfrei vorgestellt werden. Der Leser muss diese Werkzeuge einfach so hinnehmen. Es wird vom Leser verlangt der Technologie und den Werkzeugen blind zu vertrauen. Aber warum sollte man dies tun? Ist es nicht die berechtigte Skepsis an unserem bestehenden Geldsystem, die einen als Leser zu diesem Buch bringt? Warum also nicht offen und ehrlich auch die vorgestellten Werkzeuge mit einer gesunden Skepsis betrachten?

Ärgerlicher noch, fast jede Werkzeugvorstellung endete mit dem Hinweis, dass man als Nutzer für ein Backup zu sorgen hat, und dass man einige Maßnahmen (z.B. Passworte) zur Sicherung seines Geldes durchzuführen hat. Das erzeugt erstmal — wenn auch unbeabsichtigt — ein komisches Unwohlsein, weil man beginnt zu erkennen, dass hier ein Haufen Verantwortung auf den Nutzer der Tools verlagert wird. Dieser Verantwortung kann aber nur gerecht werden, wer diese Werkzeuge gedanklich durchdringt, versteht und die Risiken erkennt.

Später lernt man im Kapitel 8 zum BitCoin-Mining, wie tatsächlich ein essenzieller Teil der Technologie überhaupt funktioniert. Die wesentlichen Aspekte auf die BitCoin aufbaut, werden mir insgesamt nicht klar genug vorgestellt. Man muss sich viele Teile aus dem Toolwissen des Buches mühsam zusammensuchen und extrahieren um letztlich ein unzusammenhängendes Bild von der Blockchain zu erhalten. Ein Schaubild hier und da anstatt von Tool-Screenshots hätte dem Buch sehr gut getan.

Ab Kapitel 10 wird es dann eher politisch und auch ein gutes Stück utopisch, wenn es darum geht, BitCoin als zukunftsträchtige Lösung zu präsentieren. Doch aus meiner Sicht ist die Darstellung von BitCoin als Währung an dieser Stelle geradezu skandalös schöngefärbt. Ja, BitCoin ist eine wirkliche Neuerung, und ja es funktioniert auch bereits in vielen Bereichen, doch die neuen Risiken der Lösung, die keine der bisherigen Währungen hatte, werden eben auch weitgehend verschwiegen.

So fehlt mir zum Beispiel der eindeutige Hinweis, dass BitCoin eben nur dann reibungslos funktionieren kann, wenn die Kommunikationsverbindungen zwischen tausenden Rechnern reibungslos funktionieren. BitCoin bzw. der Blockchain-Mechanismus ist keine simple Währung, die man offline nutzen kann, sie setzt zwingend Computer, spezielle Software, große verteilte Datenspeicher ein reibungslos funktionierendes Netz und großes Vertrauen in den Schöpfer der Kryptografie hinter der Technik voraus. Das mögen auf den ersten Blick zu vernachlässigende Randbedingungen in unserer „Ersten Welt“ sein, jedoch zeichnet sich BitCoin damit durch eine wesentlich höhere Komplexität und deutlich höhere Anforderungen für den Einsatz aus, als z.B. bisheriges, physisches Offline- oder Papiergeld.

Der Autor hat sich viel Arbeit gemacht, sehr detaillierte technische Risiken die der BitCoin-Infrastruktur innewohnen zu beschreiben (z.B. Double Spend Attacke, 51%-Attacke, etc.) doch die viel simpleren Basisrisiken, nämlich die technischen Abhängigkeiten die diese Währung besitzt (Strom, Computer, Software, Netz, Vertrauen in die komplexe Kryptographie) werden kaum benannt. Dabei sind es u.a. diese Risiken, die BitCoin entscheidend von anderen Komplementärwährungen unterscheidet.

Das Thema Komplementärwährung an sich wird kaum benannt, stattdessen bleibt der Autor in der BitCoin Sphäre und erwähnt lediglich die alternativen Crypto-Currencies die mehr oder weniger Ableitungen von BitCoin sind. Es hätte dem Buch außerordentlich gut getan, wenn man die Unterschiede von BitCoin zu bestehenden Konzepten alternativer Komplementärwährungen (z.B. auf Gutscheinbasis wie „Miles & More“ Programme etc.) einmal aufgezeigt hätte.

So vermittelt das Buch zwar einen vorwiegend anhand von Werkzeugen vermittelten Zugang zu BitCoin, kommt über diese Innenansicht kaum hinaus und der Blick über den Tellerrand erstreckt sich lediglich auf „Was man mit BitCoin noch so machen könnte.“ dabei stehen möglicherweise ganz andere Dinge in den Startlöchern rund um die Blockchain-Technologie.

Dennoch, das Buch ist recht kompakt und lässt sich sehr gut lesen. Man bekommt einen guten Überblick über Werkzeuge und Dienstanbieter rund um BitCoin und viele Informationen rund um den Gebrauch von BitCoin im Alltag. Unter anderem ist ein Abschnitt für Gewerbetreibende enthalten, den ich sehr wertvoll fand. Die eigentlichen Prinzipien hinter BitCoin nämlich die Blockchain als quasi grundlegendes Peer-to-Peer-Kryptoprotokoll für über ein Netzwerk verteilte, transparente Buchhaltung kommen für mich jedoch zu kurz.

Das Buch ist insgesamt empfehlenswert, weil viele verschiedene Begriffe verwendet werden, die im Zusammenhang mit BitCoin stehen und BitCoin spezifische Dinge benennen. Und es ist meines Wissens nach eines der ersten deutschsprachigen Bücher zum Thema BitCoin. So lernt man durch das Lesen des Buches viele Schlüsselbegriffe kennen, und kann danach weitere Beiträge zu BitCoin besser verstehen.

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